Erstellt von Heike Kühn, Janina Loof | |   Expert*innen-Interview

David Kremers arbeitet im B2B-Bereich des Talent Services bei der Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH. Im Experteninterview erzählt er uns welche Branchen und Geschäftsfelder Arbeitskräfte suchen und worauf es bei der Jobsuche ankommt.


Herr Kremers, Sie sind Projektmanager bei Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH. Was genau ist Ihre Aufgabe?

Bei Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie sind wir, im Auftrag des Landes Berlin, zuständig neue Unternehmen für die Stadt zu gewinnen und zu rekrutieren. Wir unterstützen die Unternehmen bei Themen wie Forschung & Entwicklung und der Suche nach Büroflächen sowie Kooperationspartner*innen. Ich bin im Bereich „Talent Services“ tätig. Dort geht es primär um die Gewinnung von Fachkräften. Wir geben den Unternehmen diesbezüglich Tipps und Tricks.

Wie sehen momentan die Berliner Wirtschaftsstrukturen aus? Welche Bereiche entwickeln sich stark? Wo gibt es großen Personalbedarf?

Klassische Unternehmensbereiche, wie Marketing, Vertrieb, Personal und Buchhaltung boomen. In Berlin gibt es einen großen Bedarf an Fachkräften im Bereich „Digital“: von einfachen bis sehr komplizierten Funktionen. Vom Grafikdesigner über Softwareentwickler*innen bis hin zum Blockchain Developer oder auch Jobs im Bereich Cyber Security. Alles was zu IKT (Informations- und Kommunikationstechnik) gehört. Neben dem Zuwachs von Jobs im digitalen Bereich, gibt es auch Aufschwung in der Industrie. Hier befinden wir uns mitten in einer Transformation, insbesondere in der Automobilindustrie. Dort geht es weg von fossilen Energieträgern hin zu Elektroantrieben. Es entwickelt sich viel im Bereich Erneuerbare Energien, Batterieentwicklung, Batteriezellfertigung, etc. Das bringt teils massive Änderungen in der Betriebsstruktur mit sich. Und dafür werden neue Talente gesucht und/oder neue Fachkompetenzen benötigt. Zudem haben die Hotellerie und Gastronomie aufgrund von Corona, große Probleme neue Fachkräfte zu finden, weil das Personal in der Corona-Zeit andere Jobs finden musste. Daher bieten sich hier vielfältige Möglichkeiten, auch auf unterschiedlichen Anforderungsniveaus.

Was würden Sie raten, wenn sich jetzt jemand angesprochen fühlt und in dem Bereich etwas sucht? Was gibt es für Kontaktmöglichkeiten?

Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie ist nur für Unternehmen zuständig. Wir betreiben eine Website auf der wir über die Möglichkeiten und Entwicklungen hinweisen sowie einem Kapitel zu „Unternehmen nach Branchen". Zudem gibt es ein eigenes Jobportal mit aktuellen Jobangeboten und eine Rubrik bezüglich neuer Unternehmen in Berlin. Über diese drei Kanäle kann man sich sehr gut über Jobmöglichkeiten informieren. Ein weiterer Hinweis wäre, die bestehenden Strukturen zu nutzen, wie Arbeitsagenturen und private Arbeitsvermittlungen, die in der Regel immer kostenfrei sind.

Gemeinsam mit BQN beraten Sie kleine und mittelständische Unternehmen bei der Suche nach Mitarbeiter*innen. Welche Kompetenzen sind Ihrer Meinung nach „Must-haves“ und welche eher „Nice-to-have“?

Es gibt nicht die eine Kompetenz, die man haben muss, um einen Job zu bekommen. Es ist wichtig kommunikativ zu sein, zu sprechen und aktiv auf jemanden zuzugehen. Man sollte sich selber miteinbringen, aber immer in den Grenzen der aktuellen Situation oder Unternehmenskultur. Das findet man meist erst im Dialog heraus oder anhand der Website des Unternehmens. Man kann sich auch im Interview am Gegenüber orientieren. Es gibt keinen Skill, um permanent erfolgreich zu sein. Offensein für digitale Entwicklung ist ein „Must-have“. Auch sollte man die Angst ablegen, dass man eine bestimmte Sache komplett beherrschen muss, bevor man sich bewirbt. Man sollte bereit sein, Neues zu erlernen.

Also ist es hilfreich Selbstsicherheit und Lernbereitschaft zu zeigen?

Selbstsicherheit ist ein gutes Stichwort. Es gibt nicht nur die Mangelberufe, wie Softwareentwickler*innen, sondern auch klassische kaufmännische Funktionen, wo Firmen schwer passende Kandidat*innen finden. Mein Tipp wäre, dass man selbstsicher auftritt. Auch sollte man es nicht persönlich nehmen, wenn es am Ende nicht passt. Vielleicht wäre man dort auch nicht glücklich geworden. Von daher ist Selbstsicherheit ein wichtiges Thema. Man sollte so sein, wie man ist und sich nicht verstellen.

Was würden Sie den zugewanderten Hochschulabsolvent*innen bezüglich Events, Netzwerke und Informationen raten?

Auf jeden Fall die Karriereberatungen der Hochschulen wahrnehmen. Zu Infoveranstaltungen oder zum Tag der offenen Tür bei Arbeitgebern gehen. An der Berliner Hochschule für Technik gibt es auch Termine, an denen sich Arbeitgeber*innen vorstellen und man direkt in Kontakt treten kann. Ansonsten ist es hilfreich, aussagefähige Social Media- und Social Network-Profile zu haben, auf LinkedIn und Xing. Auch gibt es Headhunter oder Zeitarbeitsfirmen, die direkt vermitteln. Zudem sollte man offen in das Gespräch gehen und nicht nur auf die großen Top Ten-Unternehmen gucken die jeder kennt, sondern auch auf kleine und mittlere Betriebe. Unter der Webseite talent-berlin.de kann man nach Unternehmen und offenen Stellen suchen oder sich initiativ bewerben. Nur eine von drei Stellen ist ausgeschrieben! Das wäre mein zweiter Tipp: Nicht nur auf eine Stellenausschreibung warten, sondern aktiv nach Unternehmen suchen, die einem gefallen. Auch anrufen ist nicht schlecht oder eine Kurzbewerbung einreichen.

Eine Kurzbewerbung wäre ein kurzes Anschreiben, Bewerbung und Lebenslauf aber noch keine Zeugnisse?

Nein, die Zeugnisse braucht das Unternehmen erst bei der Anlage einer Personalakte oder der Überprüfung der Qualifikationen. Es sollte auch keine „0815“- Bewerbung sein, sondern sich auf das jeweilige Unternehmen beziehen. Wahrscheinlich schafft man nur zwei bis drei solcher Bewerbungen pro Tag zu formulieren, da dies auch Recherchezeit kostet. Bewerben kann Zeit und Nerven kosten, aber man weiß dann am Ende, dass man eine gute Bewerbung abgeschickt hat. Daher sollte man sich als Talent auf jeden Fall Zeit für die Bewerbung nehmen und nach dem gemeinsamen Nenner mit dem Unternehmen suchen.

Gibt es neben den bereits angegebenen Tipps und Links noch andere Veranstaltungen des Talent Services?

Manchmal bieten wir in Kooperation mit den Hochschulen oder anderen Institutionen Vorträge an. In diesem Rahmen teilen wir diese Tipps. Wie bewirbt man sich in Deutschland? Worauf muss man achten? Wo findet man in Berlin einen passenden Arbeitgeber? Das bieten wir aber nicht als offenes Angebot an, weil unsere primäre Aufgabe die Betreuung der Unternehmen ist. Wir machen das in Absprache mit den Career Services. Zudem haben wir das Projekt because berlin , das sich an Talente richtet, die sich als Unternehmer*innen in Berlin frei entfalten möchten. Im Rahmen dieser Projekte gibt es auch Hilfestellungen von Expert*innen bezüglich Visa oder Firmengründung. Diese Tipps teilen wir in öffentlichen Zoom-Calls, sowie auf YouTube. Auch auf Karrieremessen halten wir ab und zu Vorträge.

Was würden Sie den zugewanderten Akademiker*innen raten, wie sie einen Job finden, der zu ihren Qualifikationen passt?

Man sollte sich nicht unter dem eigenen Wert verkaufen. Man hat ein Studium abgeschlossen und sollte sich selbstsicher fühlen. Wenn das Gehalt oder die Rahmenbedingungen nicht stimmen, sollte man das Angebot nicht annehmen, aber auch nicht ewig auf das Traumangebot warten. Erfahrungen sammeln ist wichtig und dann kann man weitere Fortschritte machen. Das heißt aber auch, dass man nicht drei Praktika machen muss.
Man muss auch ehrlich zu sich selber sein, was man für Vorstellungen hat, die eventuell nicht mit der Realität zusammenpassen. Manchmal muss man einen Umweg machen oder einen Schritt zurückgehen, um an sein Ziel zu kommen. Ich kann es an meinem eigenen Beispiel festmachen: Ich habe im Bereich Personalwesen studiert und ein Praktikum in der Personalabteilung eines Großkonzerns absolviert, aber keinen Einstieg gefunden. Dann habe ich ein Angebot bekommen, bei einem Bildungsträger Qualifizierungsprogramme zu machen. Dafür hätte ich eigentlich etwas ganz anderes studieren müssen. Trotzdem war der Einstieg in diesen Bereich gut und erfahrungsreich. Und es war als Puzzleteil für meinen Lebenslauf gut. Das hat mich dahin gebracht, wo ich vorher gar nicht dran gedacht hatte. Ich hätte natürlich damals noch ein Jahr auf die Traumstelle warten können, aber ob es die gegeben hätte, weiß ich nicht. Diese Erfahrung hat mir für meinen Lebensweg viel mitgegeben.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

 

 

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