Erstellt von Laura Morkel | |   Expert*innen-Interview

Viola Stoehr und Christina Kapaun sind Expertinnen auf dem Gebiet „Interkulturelle Kommunikation“. Sie waren vor einigen Jahren an einem Projekt zur interkulturellen Qualifizierung an der Universität Stuttgart beteiligt und gründeten 2005 s.cope – team für interkulturelle Kompetenz. Wir freuen uns, dass sie nun als Coachinnen die Kursleitung des Seminars „Interkulturelle Kommunikation“ bei BeuthBonus+ übernehmen!

 

Viola Stoehr, Sie werden gemeinsam mit Christina Kapaun den Kurs „Interkulturelle Kommunikation“ leiten. Was hat Sie dazu bewogen Coachin in diesem Bereich zu werden?

Das war keine Entscheidung die irgendwann bewusst gefallen ist. Ich bin in dieses Thema eher hineingewachsen. Ich war für ein Auslandsstudium ein Jahr lang in den USA. An der Universität dort habe ich zufällig zwei Seminare belegt, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben, und die meine eigenen interkulturellen Erfahrungen ergänzt haben. Das war sehr spannend. Es ging auch viel um Diskriminierung aufgrund von Rassismus, so dass ich mir meiner eigenen Privilegien bewusster wurde. Zurück in Deutschland hatte ich die Möglichkeit, als Hiwi (Hilfswissenschaftlerin) im akademischen Auslandsamt zu arbeiten, dort habe ich noch während des Studiums an interkulturellen Trainingsprogrammen für Studierende mitgearbeitet. Bei der Arbeit, die ich dann auch als Angestellte lange Jahre fortsetzen konnte, hat sich meine Leidenschaft für dieses Thema verstärkt – und gemeinsam mit Christina ist auch die Idee entstanden, die GbR s.cope zu gründen, die diese Trainings auch anderen Hochschulen anbietet.

 

Christina Kapaun, haben Sie in Ihrem Alltag bzw. beruflichen Lebensweg persönliche Erfahrungen mit interkultureller Kommunikation und deren Schwierigkeiten gemacht? Bzw. haben Sie einen persönlichen Bezug zu diesem Thema?

Absolut. Ich bin immer sehr dankbar, wenn ich mein Herzensthema in die Welt tragen kann. Ich brenne für das Thema. Auch wenn sich viele Disziplinen mit der interkulturellen Kommunikation befassen, wird sie in der Praxis immer noch oftmals eher vernachlässigt. Ich selbst war während des Studiums das erste Mal für einen längeren Zeitraum im Ausland – ein Jahr in den USA. Nach meiner Rückkehr habe ich an der Universität Stuttgart an einer Zertifizierung teilgenommen, zu welcher ein Modul gehörte, das sich mit interkultureller Kommunikation beschäftigte. Für mich war es faszinierend zu sehen, dass es dazu so viel Theorie gibt, von der ich bis zu dem Zeitpunkt nicht viel wusste. Theorie, die ich konkret mit der Praxis, mit meinen eigenen Erfahrungen abgleichen konnte. Das war geradezu ein Aha-Erlebnis für mich. Ich habe dann sehr schnell beschlossen, dass es das ist, womit ich mich beruflich beschäftigen möchte. 2008 habe ich mich schließlich zur interkulturellen Trainerin und Coachin zertifizieren lassen. Privat hatte es mich kurz zuvor erneut ins Ausland gezogen: Drei Jahre Brasilien und ein paar Jahre später war ich noch fast vier Jahre in den USA. Bei meiner Arbeit als Trainerin und Coachin ist es immer hilfreich sich aus diesem Wissenspool an theoretischem Wissen auf der einen und eigenem Erfahrungswissen auf der anderen Seite bedienen zu können.

 

Viola Stoehr, was sind konkrete Fähigkeiten und Ziele, die die Teilnehmenden in dem Kurs erreichen?

Das Ziel ist es, interkulturelle Handlungen und Situation besser zu verstehen und somit sowohl zwischenmenschliche Konflikte als auch Missverständnisse zu vermeiden. Das kann erreicht werden, indem man übt ungewohnte Situationen zu deuten und reflektierter zu handeln. Eine wichtige Fähigkeit, welche dabei trainiert wird, ist es sich selbst und den eigenen kulturellen Hintergrund besser kennenzulernen. Das ist ein wichtiger Ausgangspunkt für ein interkulturelles Training. Fragen zur Selbstreflektion können hierbei sein: „Was an meiner Person ist Kultur, bzw. durch meinen kulturellen Hintergrund geprägt?“ oder „Welche Kompromisse bin ich nicht bereit einzugehen?“ Außerdem ist es wichtig zu lernen Grenzen zu setzen und zu verstehen, ob das die eigenen Grenzen oder die Grenzen der eigenen Kultur sind. Wenn man die Fähigkeit trainiert sich selbst besser zu verstehen und zu reflektieren, können beispielsweise Konflikte am Arbeitsplatz vermieden werden. Man wird selbstbewusster auftreten und bei der Arbeit wird sich die Zufriedenheit von Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen verbessern. Dies hilft dann, auch in anderen Kontexten kompetenter mit der kulturellen Vielfalt in Deutschland umzugehen, was eine offenere und tolerantere Gesellschaft zur Folge hat. Das ist für mich persönlich das wichtigste Ziel.

 

Christina Kapaun, was sind Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung, wenn es um die interkulturelle Verständigung am Arbeitsplatz geht?

Ich denke, die größte Herausforderung ist, dass wir die Möglichkeit zum Perspektivwechsel erlernen und uns aktiv immer wieder erinnern diesen auch zu vollziehen. Wir sind oft geneigt Konflikte auf der rein persönlichen Ebene zu interpretieren. Es gibt allerdings noch eine kulturelle Ebene. Die Herausforderung ist es, hier nicht direkt zu urteilen, sondern einen Schritt zurückzugehen und einen neuen Blick für die Situation zu entwickeln. Eine beliebte Metapher hierfür ist, dass wir alle gewissermaßen eine kulturelle Brille tragen und wir lernen müssen, diese in bestimmten Situationen auch mal abzulegen und uns vielleicht die Brille der anderen Person leihen können. Dann gibt es da noch den wunderbaren Begriff der Ambiguitätstoleranz. Dieser beschreibt die Fähigkeit, nicht nur in Schwarz-Weiß-/ Richtig–Falsch-Kategorien zu denken und es auch auszuhalten und zu respektieren, dass es verschiedene Ansichten und Vorgehensweisen gibt, die alle zum Ziel führen können.

Danke für das tolle Interview, auch im Namen von BeuthBonus+ !

Fotos: © Emma Burcusel, © Viola Stoehr